Gedanken zum Karfreitag

Fri, 10 Apr 2020 10:54:05 +0000 von Karl-Otto Scholz

2. Korinther 5
 
19 Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. 20 So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! 21 Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.
 
 
Ich habe den Karfreitag so in Erinnerung: Erwachsene gingen in Schwarz zur Kirche, man erzählte keine Witze, aß Hering und Kartoffeln zu Mittag. Besinnung und getragene Musik im Radio waren bei fast allen anerkannt. Als Kinder schufen wir uns unsere kleinen Freiheiten, indem wir uns heimlich trafen und unauffällig spielten. In Zeiten von COVID19 steht das öffentliche Leben still. Tagelang. Es ist lange gesellschaftliche Quarantäne, die von manchen als Bußzeit begriffen wird. Und nun auch noch am Karfreitag.
 
Haben wir Grund zur Buße? Unsere Jugendlichen haben vor kurzem noch freitags für einen nachhaltigeren Lebensstil der Gesellschaft demonstriert. Dieses Engagement ist im Augenblick so nicht mehr möglich - wie sollte es auch aussehen, wenn jeder vom anderen mindestens zwei Meter Abstand halten soll? Dennoch bleibt es für alle eine gesellschaftliche Aufgabe, Energie zu sparen und übermäßigen CO2-Ausstoß zu vermeiden, wenn die ganze Erde nicht an Hitze sterben soll. Wissenschaftler vermuten, dass steigende Temperaturen auch eine Veränderung der Bakterien- und Virenwelt mit sich bringen. Die Corona-Krise - also vielleicht auch eine Folge des schon eingetretenen Klimawandels. Da hat uns etwas überrollt, das uns heftig zum Nachdenken zwingt.
 
Nun ist der Karfreitag aber nicht nur ein Bußtag (wie ihn die jüdischen Glaubensgeschwister etwa am Jom Kippur begehen), der uns vor Gott als reuige Sünder treten lässt, sondern er ist ein Tag an dem wir des Todes eines ganz bestimmten Menschen gedenken: Jesus Christus. Predigend zog er durch Galiläa. Männer und Frauen motivierte er, ihm zu folgen. Die Ärmsten der Armen priesen ihn, weil er ihnen zur Seite stand - ohne Scheu und Angst. Im Hause von Leprösen kehrte er ein. Mit Menschen, die unter psychischen Erkrankungen litten, sprach er liebevoll. Behinderte bat er, von ihrem Lager aufzustehen. Und das alles im Namen eines liebenden Gottes-Vaters.
 
Warum aber hat man ihn verurteilt und umgebracht? Die Bibel berichtet darüber ausführlich: Weil er, wie Zeugen behaupteten, „den Tempel in drei Tagen wieder aufbauen“ wollte. Das heißt Jesus wollte sein Volk zur Buße rufen (wie ein Prophet) und es wieder auf den rechten Weg bringen (wie der erwartete Messias). In den Passionserzählungen der Evangelisten werden die letzten Tage Jesu genau so beschrieben: Da kommt der König Israels in seine Stadt Jerusalem, man breitet Palmzweige vor ihm aus. Eine Frau salbt ihn bei einem Gastmahl (zum König?). Er legt sich mit Händlern im Tempel an (wie ein Gerichtsprophet). Er spricht mit seinen Jüngern über das Ende - über sein eigenes und das der Welt. Er feiert zusammen mit den Jüngern das Passah-Mahl. Und er wird beim Gebet in der Nacht am Ölberg verhaftet.
 
Man hat ihn nach kurzem Prozess gekreuzigt. Doch dieses hat die Schar seiner Jüngerinnen und Jünger später als sichtbare Inthronisation des Königs der ganzen Welt verstanden. Welch ein Widerspruch in sich: Da stirbt einer und erweist sich darin als Herr von allen. Karfreitag ist nicht allein ein gesellschaftlicher oder auch privater Bußtag. Es ist auch der Gedenktag des Messias. Die Römer, die ihn gekreuzigt haben, haben ihn schon recht verstanden. Über sein Kreuz schrieben sie: Jesus, der Nazarener, König der Juden. Einhundert Jahre später schon bekannten die Christen: Er ist der König der Welt. Gott wollte es so.
 
Könige, Präsidenten, Autokraten „halten ihre Völker nieder“ (wie Jesus zu seinen Jüngern einmal sagte). Dieser König aber versöhnt. Paulus schreibt im 2. Brief an die Gemeinde in Korinth: „Denn Gott war in Christus ... und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.“  Wenn Gesellschaften ihren Weg aus dunklen Zeiten suchen, dann tun sie gut daran Versöhnung zu leben. In der Nachfolge des gekreuzigten Jesus. Gott wollte es so. 
 
Es gibt drei Arten der Versöhnung: eine mit sich selbst (persönliche) - eine mit den Mitmenschen und in der Gesellschaft (kollektive) - und eine mit Gott. Nur wenn sich Menschen mit Gott in eine Versöhnungsgeschichte begeben, die eigentlich auch eine Liebesgeschichte ist, dann können sie sich mit sich und mit den anderen versöhnen. Nur so werden sie liebesfähig, nur so werden sie nach dem richtigen Leben (eines ganzen Planeten) suchen können.
Quelle: privat
Altar in Volpriehausen an Karfreitag
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